Im südlichen Sibirien untersuchten Archäologen 1990 das Gräberfeld von Ak-Alacha im Hochland des Altai-Gebirges. Zu den spektakulärsten Funden zählte die außergewöhnliche Bestattung einer bewaffneten Reiterkriegerin.
Rekonstruierter Schädel einer Skythen-Frau
Modernste Technik, neueste wissenschaftliche Methoden und die Fachkenntnisse verschiedenster Experten waren nötig, um die Schädelknochen zu analysieren und der Kriegerin Schritt für Schritt ein Gesicht zu geben. Jahrhunderte und Jahrtausende im sibirischen Eis hatten zwar für die gute Erhaltung ihrer sterblichen Überreste gesorgt, ihr Schädel jedoch hatte unter dem Druck des Eises Schäden erlitten.
„Der Schädel gibt Ansätze, Form und Dicke der Muskeln vor und zeigt, an welchen Stellen die Haut direkt auf dem Knochen zum Liegen kam“, erklärte Marcel Nyffenegger. Zwei Monate, von Mitte September bis Mitte Oktober 2010, setzte er die einzelnen Muskel- und Gewebeschichten zusammen, rekonstruierte Hautaufbau, Augen und Mimik. Das so entstandene Plastilin-Modell formte er in Silikon ab und goss die Form mit einer Gummimischung ab. Erst jetzt begann die mühevolle Arbeit, Augenbrauen, Wimpern und Kopfhaar einzusetzen. Mehr als 100.000 Strähnchen waren nötig, um das Haar realistisch nachzubilden.
Warum trägt die „Amazone“ eine Tätowierung?
Archäologen entdeckten im Altai zahlreiche Gräber, bei denen sich durch Eis und Dauerfrost sogar die Haut der Verstorbenen erhalten hatte. Dadurch konnten die Forscher feststellen, dass die Krieger dieser Region ihre Körper mit aufwändigen Tätowierungen schmückten.
Zwischen Fakten und Interpretation
„Mit einer solchen Weichteilrekonstruktion, die sich rein am Knochenaufbau orientiert, erreichen wir eine Genauigkeit von 75 Prozent des einstigen Aussehens der Skythin“, erklärt Marcel Nyffenegger. „Die restlichen 25 Prozent bleiben Interpretation, da beispielsweise in unserem Fall Teile der Nasenknochen fehlten und dadurch eine genaue Rekonstruktion nicht möglich war.“ Ebenso bleibt bei der Frage nach Farbe der Augen, der Haare und der Haut Spielraum für Spekulation.
Film Kopf-Rekonstruktion
Rekonstruierter Schädel einer Amazone im Historischen Museum der Pfalz in Speyer
Pressetext vom Dezember 2010 (PDF)
Motiv der Tätowierung aus dem Buch: Tatau, Traditionelles Taetowieren weltweit, Maarten Hessselt van Dinter, 2005.